Das Kaiserpaar verbrachte den Sommer 1854 in Bad Ischl und bei der Rückreise nach Wien gedachte man das neue Schiff „Adler“ in Anspruch zu nehmen. Trotz verschiedener Bedenken wegen des niedrigen Wasserstandes entschließen sich die Verantwortlichen, des Kaisers Generaladjutant Feldmarschallleutnant Graf Grünne und der für das Schiff zuständige Feldzeugmeister Freiherr von Mollinary diese Fahrt durchzuführen.
Am Morgen des 20. Septembers 1854 betritt der Kaiser von Österreich, begleitet von seiner Gemahlin und dem Hofstaat zum erstenmal seine neue Donaujacht.
Der Wasserstand hat sich etwas gehoben, das Wetter ist schön und der Kaiser guter Laune. Er nimmt sein Schiff in Augenschein und lässt sich alle Details erklären und zeigt großes Interesse für den Schiffsdienst.
Bis Grein verläuft die Fahrt ohne Zwischenfälle. Nach der Passage der Strudenstrecke hat das Schiff am Hausstein Grundberührung und erhält einen kräftigen Stoß. Bei einer näheren Untersuchung stellt man fest, daß das Schiff im hinteren Teil stark Wasser nimmt und so entschloss man sich das Schiff gegenüber von St. Nikola, beim „Seiler im Sand“, auf der auch heute vorhandenen Sandbank auf Grund zu setzen. Die hoheitlichen Passagiere können auf das fürsorglich mitgeführte Reserveschiff umsteigen und die Reise fortsetzen. Eine unmittelbare Gefahr eines Schiffsunterganges hat nicht bestanden, da das Schiff in acht wasserdichte Sektionen unterteilt war und nur der hintere Salon in Gefahr stand mit Wasser voll zu laufen.
In seinen Erinnerungen beschrieb später der Freiherr von Mollinary den Vorfall folgendermaßen:
„Als wir uns bei Grein der bösen Strecke näherten, auf welcher der Strom, von steilen Felsenufern eingeengt, durch und über Felsenriffe in Stürzen und Wirbeln dahinbraust, trat auf dem Schiffe eine große Stille ein. Die ganze Aufmerksamkeit der auf ihre Posten verteilten Equipage war auf den Kommandanten gerichtet, der, in der Hand das Sprachrohr, welches damals die Befehle in den Maschinenraum hinab vermittelte, hoch von der Brücke herab abwechselnd den Strom und die Steuerleute überwachte.
Schon war die Mehrzahl der gefährlichen Stellen glücklich passiert, nur noch ein letztes Riff blieb übrig, dort, wo der Strom eine Wendung macht. Plötzlich wird vom Hinterschiffe links ein Rauschen vernehmbar, gleichzeitig erfolgt von gleicher Stelle her ein Ruck, das Schiff hebt sich dort ein wenig, um aber gleich in seine normale Lage zurückzukehren und ruhig in dem nunmehr hindernisfreien Strome weiterzugleiten. Jede Gefahr schien glücklich überstanden.
Der Schiffskommandant jedoch war etwas bleich geworden. Den ersten Leutnant zu seiner Stellvertretung bestimmend, eilte er unter Deck, in der Richtung, von wo der Stoß erfolgt war. Mit einiger Aufregung sah ich seiner Rückkehr entgegen. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er wieder an Deck erschien. Er sah mich ernst an und nickte, ich wusste genug.
Das von starker Strömung fortgerissene Schiff hatte beim heftigen Streifen eines Riffes ein Leck erhalten, durch welches Wasser eindrang, und zwar, wie der Kommandant berichtete, in solcher Menge, daß der rückwärtige Raum des Schiffes, der Kaiser-Salon, bald voll Wasser sein würde, wenn man nicht gleich das Schiff an einer seichten Uferstelle zum Stranden bringe.“
Herr Franz Wanninger, Oberlotse i. P. bei der Dampfschiffahrtsgesellschaft in St. Nikola, welcher im Jahre 1903 sein 50-jähriges Dienstjubiläum beging und zu diesem Anlass zahlreiche Ehrungen erfuhr, erzählte damals über die Havarie folgendes:
Bei der Passierung des Strudens kam der Dampfer, auf dem sich der hohe Gast befand, einer bei dem niedrigen Wasserstande seicht gelegenen Felsenspitze, dem sogenannten ,,Roß“, zu nahe, so daß der Dampfer beim Steuer ein Leck erhielt, worauf sofort in den Hinterraum des Schiffes Wasser eindrang. Das Schiff fuhr aber mit voller Kraft weiter und der Kapitän ließ es knapp unterhalb des Haussteins am rechten Ufer – die Stelle führt den Namen ,,Am Sand“ – ans Land laufen. Die Kaiserin bestieg sodann mit ihrer Begleitung das nachfolgende Dampfschiff ,,Hermine“, daß ohne Unfall den Struden passiert hatte. Auch das Gepäck und Küchenutensilien wurden auf das genannte Schiff übertragen. Herr Wanninger befand sich damals auf der „Flora“, welches Schiff als drittes nach der ,,Hermine“ fuhr und deren Mannschaft dann bei den Arbeiten der Gepäcksübertragung half.
Quelle: Aufzeichnungen von Hr. Christian Seyr
Bilder: aus der Sammlung von Christian Leitner