Buchauszug, gefunden in Google Books; Bilder aus historischen Zeichnungen
Physikalische Beschreibung der flüssigen Oberfläche des Erdkörpers
Von Johann Gottfried Sommer, Prag 1823
Sehr heftige und ausgedehnte Wirbel werden Strudel genannt, und am meisten in schnellfließenden Strömen angetroffen. Bei der Kreisbewegung, die das Wasser hier äußert, sucht es sich zugleich vom Mittelpunkte immer weiter zu entfernen, und es entsteht dadurch in der Mitte des Strudels eine merkliche Vertiefung. Gegenstände, die in dergleichen Strudel gerathen, z. B. Menschen, Thiere, Kähne und Schiffe können durch die Gewalt des kreisenden Wassers in die Tiefe hinabgezogen werden. Alle Schiffer pflegen daher die Strudel sehr zu fürchten.
Zwei sehr berühmte und merkwürdige Strudel sind die in der Donau in Niederöstreich. Der erste, der eigentliche Strudel, befindet sich unterhalb des Einflusses der Ens und des Schlosses Wallsee. Hier wird das Bett der Donau, das früher sehr breit gewesen, allmählich durch die rechts und links stehenden Berge verengert, bis man unterhalb der Stadt Grein zu einer breiten felsigen Insel (Werder) gelangt, die mitten im Strome liegt und 400 Klafter lang und 200 Klafter breit ist.
Die Schiffer schlagen den linken Arm ein, da der rechte (der Hößgang) bei kleinem Wasser zu seicht ist, und bei großem einen zu starken Zug nach dem weiter stromabwärts liegenden sogenannten Lueg (Loch) hat. In jenem linken Arm nun befindet sich der Strudel, welcher durch eine Menge theils unter dem Wasser liegender, theils darüber hinausragender Felsenklippen entsteht, welche, indem sie das Bett noch mehr verengen, die Geschwindigkeit des Stromes nicht nur außerordentlich vermehren, sondern das Wasser auch zum Theil ganz von seiner Bahn ablenken. Die größte Breite dieses Strudels ist etwa 90 Wiener Klafter, und die hervorragenden Felsen theilen ihn wieder in drei besondere Theile ab, nämlich in das Wildwasser links, in den Wildriß, den gefährlichsten, und den Sturm oder eigentlichen Strudel, durch den die Schiffe gewöhnlich ihren Weg nehmen. Nur ein Schiffer, der mit dieser gefährlichen Straße genau bekannt ist, darf es wagen, sie zu befahren. Jedes Felsenstück hat seinen besondern Namen, seine eigene Lage, Breite und Höhe, welches Alles er genau kennen muß; auch muß er die Hohe des Wassers berücksichtigen, da gewisse Felsen bei einem hohen Stande desselben nicht über die Oberfläche hinausragen und um so gefährlicher sind. Ganz besonders muß er die Kunst, das Schiff gut zu lenken, in seiner Gewalt haben. Gewöhnlich übernimmt der Schiffmeister allein das Steuerruder, und wenn Alles gut geht, ist man in vier Minuten durch den Strudel hindurch. Alle Donauschiffer sind jetzt mit diesem Strudel so vertraut, daß Unglücksfälle schon seit langer Zeit unter die Seltenheiten gehören.
Gefährlicher indeß ist der etwa 200 Fuß weiter hinab, zwischen dem Marktflecken Sturm oder Struden, und dem Dörfchen St. Niklas liegende Wirbel. Er entsteht durch einen rechts liegenden, an 18 Fuß aus dem Wasser emporsteigenden beträchtlichen Felsen (der Hausstein) der sich den aus dem Strudel schnell herab, schießenden Fluthen plötzlich entgegenstemmt. Da sich diese gleichwohl nicht zurückweisen lassen, so bringt dieses vereinte Wirken entgegengesetzter gleich großer Kräfte eine kreisförmige, oder wirbelnde Bewegung hervor. Gewöhnlich fahren die Schiffe links bei dem Hausstein vorbei, da die rechte Seite, das vorher erwähnte Lueg, ungeachtet einer Breite von 63 Klaftern so gefährlich ist, daß sie nur bei sehr hohem Wasser und selbst alsdann nur von kleinen Schiffen befahren werden kann.
Bei der Geschicklichkeit der Schiffer bringt auch dieser Wirbel keine Gefahr, und man kann in ein paar Minuten wohlbehalten darüber hinweg seyn. Doch ist er erst seit dem Jahre 1781, nachdem die Kaiserin« Maria Theresia vom Dezember 1777 an, einige der gefährlichsten Klippen hatte sprengen lassen, weniger gefahrlos geworben. Vor jener Zeit verging kein Jahr, in dem nicht Schiffe verunglückt wären.
Eine Kopie des gesamten Buches finden sie in Google books
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